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Die Schiffmühle Nitzschka
vor 100 Jahren -
ein Wassermüller kämpft
um seine Existenz
Das wilde Wehr im Muldefluss
Ansicht der Schiffmühle Nitzschka in den dreißiger Jahren
von der rechten Flussseite her.
Vor dem Mühlengebäude ist die große Radstube
zu erkennen, die das Doppelradwerk umhüllt.
Lageplan der Schiffmühle 1884.
Deutlich sind das dreigeteilte Wehr im Muldefluss,
die Mühleninsel und der Gebäudekoplex zuerkennen.
Zeichnung zur Wasserradanlage für Herrn Haferkorn in Nitzschka
Das 92 Meter lange Schiffmühlenwehr heute. Im Hintergrund die kläglichen
Reste der einstigen Wassermühle, die 1967 abgerissen wurde.
Wer die beliebte Flußlandschaft entlang der Mulde aufmerksam erkundet,
findet zwischen Walzig und Nitzschka, auf der Walziger Seite, Grundmauern
eines abgetragenen Gebäudekomplexes, Mühlgrabenreste sowie eine
dreigeteilte Wehranlage im Muldefluß. Dies sind die uns verbliebenen
baulichen Zeugen der früheren sogenannten Schiffmühle Nitzschka.
Eine aufschlussreiche und bis in die Jüngste Vergangenheit prägende
Zeit erlebte die Schiffmühle Nitzschka in den 80er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts. Ihr damaliger Besitzer, Johann Heinrich Haferkorn, richtete
am 12.4.1884 einen interessanten Brief an die Königliche Amtshauptmannschaft
in Grimma mit auszugsweise folgendem Inhalt: „... Die hohe Königliche
Amtshauptmannschaft solle dem Unterzeichnenden gestatten, das zwischen
seinen Grundstücken Nr. 433 u.445 der Flur Obernitzschka in der Vereingten
Mulde gelegene wilde Wehr, welches zum größten Theile von aus
der Flusssohle hervorragenden Felsenriffen gebildet wird, zum anderen Theile
durch Steinschüttung und Betonaufsatz ausgeglichen, beziehentlich
erhöht und a, rechten Ufer mittels einer hölzernen Schwelle ergänzt
ist, nach maßgabe der beigefügten Zeichnungen ausbauen zu dürfen,
um so der Wehrkrone eine definitive feste gestalt zu geben. ... Die hohe
Königliche Amtshauptmannschaft solle diesem ergebsten Gesuch Bewilligung
nicht versagen und mit der Erlaubnis zum Ausbau des Wehres die Conzession
zum ungestörten Fortgang der seit nunmehr 30 Jahren hier bestehenden
Schiffmühle für alle Zukunft zu ertheilen.“
Nachdem das Vorhaben des Herrn Haferkorn durch Zeitungsveröffentlichung
von der Amtshauptmannschaft bekanntgemacht wurde, hagelte es an geharnischten
Protesten gegen das Vorhaben. Insbesondere der Gemeinderat von Trebsen,
mit Bürgermeister Müller an der Spitze, protestierte in scharfer
Form gegen das Ansinnen von Haferkorn. Das schon vorhandene wilde Wehr
– so der Gemeinderat – sei durch das Einwerfen von mehr den 1000 Kubikmeter
an gro0en Bruchsteinen in das bett der Mulde u. anschließender Zusammenhaltung
mittels eisener Pfähle ohne Genehmigung entstanden – ein Akt seltener
Willkür und Anmaßung. Deshalb erging nicht nur Widerspruch gegen
das anvisierte feste wehr, sondern auch die Forderung, die Wehranlage ganz
zu beiseitigen.
Als Argument für diese überzogenen Fordferungen wurde der
entstande Rückstau bis angeblich hinter die damalige Muldenfähre
von Trebsen genannt. Dieser Rückstau- so die Gemeinde – intensiviere
im Winter die Eisbildung, bei Eisaufbruch kommt es deshalb oberhalb der
Fähre zu haushohen Auftürmungen auf beiden Ufern, die schon Fährseile
zerrissen und die baumstarken, festummauerten Seilträger gleich einem
Streichholz geknickt hätten. Die Existenz der Stauanlage in der Nähe
der begonnenen Muldenbrücke (Rampen) sei nach Ansicht der Stadt Trebsen
„eine stete Quelle der Gefahr für das mit namhaften Opfern seitens
des Staates, des Bezirkes und der Gemeinde errichtet Bauswerkes“.
Der damalige Amthautmann, Dr, Schnorr von Carlolsfeld, lud alle Beteiligten
– Widerständler gegen das Bauvorhaben, Mühlenbesitzer und Sachverständige
– zu einer mündlichen Verhandlung (3.2.1885) ein, in deren Ergebnis
schließlich der Wassermüller Haferkorn grünes Licht für
den Wehrumbau bekam. Das Vorhaben wurde bis zum Herbst 1886 entsprechend
dem eingereichten Projekt abgeschlossen. Die von Haferkorn zu entrichtenden
„Verwaltungsgebühren“ beliefen sich auf 114,60 Mark.
Der heute, nach über 100 Jahren, vorzufindende Zustand der Wehrgrundkörpers
zeugt von der guten Arbeit des Mauermeisters Otto Enke aus Leipzig.
Der Veränderungsplan von Haferkorn war mit dem Wehrbau nicht zu
Ende. Am 31.5.1889 bittet er die Königliche Amtshauptmannschaft ergebenst,
man möge ihm die Änderung seiner jetzigen Wasserradanlage genehmigen.
Anstelle des 5 Meter breiten Rades sollen zwei schmalere Räder mit
tieferem Kropfe eingelegt werden. Dazu sei vorgesehen, durch Einbau einer
Wand in Mitte des Gerinnes zwei gleichbreite kleinere Gerinne zu schaffen
und in jedem der letzteren ein unterschächtiges Wasserrad unterzubringen.
Von den beiden neuen Rädern soll das der Vordermühle (rechtes
Gerinne) 6,24m Durchmesser mit 2,26 m Breite erhalten, aber 0,38 m tiefer
liegen. Mit dem Umbau der Wasserradanlage sei eine Verlängerung der
Radstube und eine kleine Verbreiterung des Mühlgrabens geplant. Das
Vorhaben Haferkorns wurde genehmigt und noch im gleichen Jahr vollendet.
Das faszinierende unterschächtige Doppelräderwerk an der
Schiffmühle Nitzschka wurde erstaunlicherweise noch über einen
sehr langen Zeitraum genutzt. Erst in den 50er Jahren, nach der sogenannten
Republikflucht des engagierten letzten Müllers Hermann Nowotne und
der Übernahme der Schiffmühle durch die LPG „Einheit“ Pausitz
setzte ein rasanter Verfall des Gebäudekomplexes ein. 1967 schließlich
wurde dieses Problem auf gelöst – die Mühlengebäude fielen
dem Abriss zum Opfer.
Siegfried Nowak