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Muldenspiegel
16. November 1998

Die Schiffmühle Nitzschka vor 100 Jahren -
ein Wassermüller kämpft um seine Existenz

Das wilde Wehr im Muldefluss

Ansicht der Schiffmühle Nitzschka in den dreißiger Jahren von der rechten Flussseite her.
Vor dem Mühlengebäude ist die große  Radstube zu erkennen, die das Doppelradwerk umhüllt.
 

Lageplan der Schiffmühle 1884.
Deutlich sind das dreigeteilte Wehr im Muldefluss,
die Mühleninsel und der Gebäudekoplex zuerkennen.

Zeichnung zur Wasserradanlage für Herrn Haferkorn in Nitzschka



dazu wird noch ein Foto von Herrn Nowak gezeigt

Das 92 Meter lange Schiffmühlenwehr heute. Im Hintergrund die kläglichen Reste der einstigen Wassermühle, die 1967 abgerissen wurde.


Wer die beliebte Flußlandschaft entlang der Mulde aufmerksam erkundet, findet zwischen Walzig und Nitzschka, auf der Walziger Seite, Grundmauern eines abgetragenen Gebäudekomplexes, Mühlgrabenreste sowie eine dreigeteilte Wehranlage im Muldefluß. Dies sind die uns verbliebenen baulichen Zeugen der früheren sogenannten Schiffmühle Nitzschka.
Eine aufschlussreiche und bis in die Jüngste Vergangenheit prägende Zeit erlebte die Schiffmühle Nitzschka in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ihr damaliger Besitzer, Johann Heinrich Haferkorn, richtete am 12.4.1884 einen interessanten Brief an die Königliche Amtshauptmannschaft in Grimma mit auszugsweise folgendem Inhalt: „... Die hohe Königliche Amtshauptmannschaft solle dem Unterzeichnenden gestatten, das zwischen seinen Grundstücken Nr. 433 u.445 der Flur Obernitzschka in der Vereingten Mulde gelegene wilde Wehr, welches zum größten Theile von aus der Flusssohle hervorragenden Felsenriffen gebildet wird, zum anderen Theile durch Steinschüttung und Betonaufsatz ausgeglichen, beziehentlich erhöht und a, rechten Ufer mittels einer hölzernen Schwelle ergänzt ist, nach maßgabe der beigefügten Zeichnungen ausbauen zu dürfen, um so der Wehrkrone eine definitive feste gestalt zu geben. ... Die hohe Königliche Amtshauptmannschaft solle diesem ergebsten Gesuch Bewilligung nicht versagen und mit der Erlaubnis zum Ausbau des Wehres die Conzession zum ungestörten Fortgang der seit nunmehr 30 Jahren hier bestehenden Schiffmühle für alle Zukunft zu ertheilen.“
Nachdem das Vorhaben des Herrn Haferkorn durch Zeitungsveröffentlichung von der Amtshauptmannschaft bekanntgemacht wurde, hagelte es an geharnischten Protesten gegen das Vorhaben. Insbesondere der Gemeinderat von Trebsen, mit Bürgermeister Müller an der Spitze, protestierte in scharfer Form gegen das Ansinnen von Haferkorn. Das schon vorhandene wilde Wehr – so der Gemeinderat – sei durch das Einwerfen von mehr den 1000 Kubikmeter an gro0en Bruchsteinen in das bett der Mulde u. anschließender Zusammenhaltung mittels eisener Pfähle ohne Genehmigung entstanden – ein Akt seltener Willkür und Anmaßung. Deshalb erging nicht nur Widerspruch gegen das anvisierte feste wehr, sondern auch die Forderung, die Wehranlage ganz zu beiseitigen.
Als Argument für diese überzogenen Fordferungen wurde der entstande Rückstau bis angeblich hinter die damalige Muldenfähre von Trebsen genannt. Dieser Rückstau- so die Gemeinde – intensiviere im Winter die Eisbildung, bei Eisaufbruch kommt es deshalb oberhalb der Fähre zu haushohen Auftürmungen auf beiden Ufern, die schon Fährseile zerrissen und die baumstarken, festummauerten Seilträger gleich einem Streichholz geknickt hätten. Die Existenz der Stauanlage in der Nähe der begonnenen Muldenbrücke (Rampen) sei nach Ansicht der Stadt Trebsen „eine stete Quelle der Gefahr für das mit namhaften Opfern seitens des Staates, des Bezirkes und der Gemeinde errichtet Bauswerkes“.
Der damalige Amthautmann, Dr, Schnorr von Carlolsfeld, lud alle Beteiligten – Widerständler gegen das Bauvorhaben, Mühlenbesitzer und Sachverständige – zu einer mündlichen Verhandlung (3.2.1885) ein, in deren Ergebnis schließlich der Wassermüller Haferkorn grünes Licht für den Wehrumbau bekam. Das Vorhaben wurde bis zum Herbst 1886 entsprechend dem eingereichten Projekt abgeschlossen. Die von Haferkorn zu entrichtenden „Verwaltungsgebühren“ beliefen sich auf 114,60 Mark.
Der heute, nach über 100 Jahren, vorzufindende Zustand der Wehrgrundkörpers zeugt von der guten Arbeit des Mauermeisters Otto Enke aus Leipzig.
Der Veränderungsplan von Haferkorn war mit dem Wehrbau nicht zu Ende. Am 31.5.1889 bittet er die Königliche Amtshauptmannschaft ergebenst, man möge ihm die Änderung seiner jetzigen Wasserradanlage genehmigen. Anstelle des 5 Meter breiten Rades sollen zwei schmalere Räder mit tieferem Kropfe eingelegt werden. Dazu sei vorgesehen, durch Einbau einer Wand in Mitte des Gerinnes zwei gleichbreite kleinere Gerinne zu schaffen und in jedem der letzteren ein unterschächtiges Wasserrad unterzubringen. Von den beiden neuen Rädern soll das der Vordermühle (rechtes Gerinne) 6,24m Durchmesser mit 2,26 m Breite erhalten, aber 0,38 m tiefer liegen. Mit dem Umbau der Wasserradanlage sei eine Verlängerung der Radstube und eine kleine Verbreiterung des Mühlgrabens geplant. Das Vorhaben Haferkorns wurde genehmigt und noch im gleichen Jahr vollendet.
Das faszinierende unterschächtige Doppelräderwerk an der Schiffmühle Nitzschka wurde erstaunlicherweise noch über einen sehr langen Zeitraum genutzt. Erst in den 50er Jahren, nach der sogenannten Republikflucht des engagierten letzten Müllers Hermann Nowotne und der Übernahme der Schiffmühle durch die LPG „Einheit“ Pausitz setzte ein rasanter Verfall des Gebäudekomplexes ein. 1967 schließlich wurde dieses Problem auf gelöst – die Mühlengebäude fielen dem Abriss zum Opfer.

Siegfried Nowak